Gemeinsame Forderungen
Mit dem folgenden Katalog unterstreichen die CSD-Bündnisse aus Erfurt, Gera, Jena, Weimar und Altenburg gemeinsam ihre Forderungen an Politik, Gesellschaft und LSBTIQ*-Community.
Für uns ist Familie dort, wo Menschen aus Liebe zueinander Verantwortung füreinander und gegebenenfalls auch für Kinder und alte Menschen übernehmen. Das ist unabhängig vom Geschlecht oder der Anzahl der Personen, die eine Familie sein wollen. Daher fordern wir, dass das Abstammungsrecht daran und an die neuen Möglichkeiten zur Zeugung von Kindern angepasst wird.
Sich außerhalb der Bezeichnung „Mann“ oder „Frau“ zu bewegen, heißt oft auch: unsichtbar sein. Wir fordern rechtliche Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten, jenseits der Kategorien männlich und weiblich. Geschlechtliche Selbstbestimmung muss anerkannt werden.
Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), werden in den Richtlinien zur Übertragung von Blutprodukten als Risikogruppe eingestuft. In der Folge dürfen sie nur nach einem Jahr Enthaltsamkeit Blut spenden. Während eine HIV-Infektion heute sechs Wochen nach einem Risikokontakt sicher diagnostiziert oder ausgeschlossen werden kann, führt der einjährige Ausschluss zu einer Diskriminierung allein aufgrund der sexuellen Orientierung. Wir fordern ein Ende dieser pauschalen Diskriminierung und die Orientierung an individuellem Risikoverhalten jeder spendenden Person.
Auch heute noch ist Menstruation ein Tabu in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Neben der Tatsache, dass menstruierende Personen häufig aufgefordert werden, die Menstruation zu verbergen, wird sie auch noch häufig innerhalb einer binären Geschlechtervorstellung bei „Frauen“ verortet. Doch nicht alle, die menstuieren, sind Frauen und nicht alle Frauen menstruieren. Wir fordern leichteren Zugang zu Menstruationsartikeln und Aufklärung darüber, dass Menstruation und Geschlecht nicht zwangsläufig miteinander verbunden sind.
Auch queere Personen werden im Alter oder durch andere Umstände pflegebedürftig. Wir fordern Fortbildungen für pflegerisches und medizinisches Personal – diese Menschen sollen für die Bedürfnisse und Lebensumstände von queeren Personen sensibilisiert werden und diese Sensibilität in ihrem Arbeitsalltag wirksam werden lassen.
Zahlreiche ehrenamtliche Projekte kümmern sich in Thüringen um die Belange von LSBTIQ*. Sie sollen durch politische und verwalterische Rahmenbedingungen unterstützt und finanziell abgesichert werden, um eine professionelle, kontinuierliche Arbeit zu ermöglichen. So kann Vielfalt von LSBTIQ* auch in Thüringen sichtbar gemacht, Akzeptanz gefördert und Diskriminierung begegnet werden.
Aufgrund der aktuellen pandemischen Situation mussten die wenigen bisher existierenden Anlauf- und Beratungsstellen für LSBTIQ* ihre Arbeit einschränken oder komplett einstellen. Damit fehlen wichtige Angebote der Antidiskriminierungsarbeit sowie Räume zur Selbstvertretung und -ermächtigung. Wir fordern staatliche Unterstützung für existierende Angebote für LSBTIQ* sowie zum Aufbau neuer Strukturen, die auch unter Corona-Bedingungen wirken können.
Kulturelle und unterstützende Angebote für LSBTIQ* sollen allen Altersgruppen zugutekommen. Diese müssen so breit gefächert sein, dass für jede Altersgruppe ansprechende Angebote existieren. Insbesondere für die Altersgruppe 50+ müssen hierfür mehr Angebote etabliert werden.
Die Bedürfnisse und Belange von lesbischen Frauen* werden weder in Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit oder auch in der Community kaum thematisiert. Wenn von Homosexuellen gesprochen wird, dann werden Lesben „mitgemeint“, da schwule Männer häufig Bild und Themen dominieren. Lesben werden mit ihren spezifischen Ausgrenzungserfahrungen ignoriert oder nur unzureichend wahrgenommen. Lesben sind keine homogene Gruppe. Ihre Erfahrungen, Chancen und Identitäten sind neben ihrem Geschlecht auch von vielen anderen Faktoren geprägt. So sind Schwarze Lesben, Lesben of Color, migrantische Lesben, körperlich und geistig beeinträchtigte Lesben, Lesben aus der Arbeiter*innenklasse, akademische und nichtakademische Lesben, Lesben mit Fluchterfahrung, alte und transgeschlechtliche Lesben von zusätzlicher Mehrfachdiskriminierung betroffen. Sie müssen mit ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen, ihrem Anteil an Kultur und Geschichte, besonders in Bezug zur Frauenemanzipation sichtbar werden, so dass ihren Benachteiligungen etwas entgegengesetzt wird und es Rollenbilder für junge Lesben gibt.
Wir fordern die aktive Förderung der Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der LSBTIQ*-Geschichte.
Wir fordern die Sichtbarmachung und Würdigung von Kulturschaffenden, die sich in ihrer Arbeit schwerpunktmäßig mit LSBTIQ*-Themen auseinandersetzen. Dies soll in Form eines Kulturpreises geschehen, der vom Land Thüringen vergeben wird.